Agilität: Flexibler! Schneller! Aber wohin?

Gelegentlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Ruf nach Agilität auch fehlende Orientierung und Führungsverantwortung kompensieren soll. Motto: schneller und flexibler nach (n)irgendwo. So haben sich das die Väter der Idee (nein, es waren keine Mütter dabei) sicher nicht gedacht.

Agilität ist eine Frage von Kultur und Haltung

Mehr Selbstorganisation und Eigenverantwortung statt überbordender Bürokratie und starrer Strukturen; eine höhere Wertschätzung für das Individuum und für zwischenmenschliche Interaktion als für Prozesse und Werkzeuge; keinem allzu festen Plan folgen, sondern auf wechselnde Kundenanforderungen flexibel reagieren: Es dürfte nicht allzu viele Menschen geben, die den Ideen des Agilen Manifests gar nichts abgewinnen können. Agilität ist cool. Und das mehr als 18 Jahre, nachdem das Manifest verfasst wurde.

Eine Sache der Haltung.

Dessen Autoren, allesamt Software-Entwickler, sahen sich als „organizational anarchists“ gegen lähmende „corporate power structures“.  Revolutionäre also, die etwas eigentlich Selbstverständliches wollten: „Kunden gute Produkte liefern, in dem man in einem Umfeld arbeitet, das Menschen nicht nur als ‚wichtigsten Aktivposten‘ bezeichnet, sondern so handelt, als ob Menschen tatsächlich das Wichtigste wären“, erinnert sich Jim Highsmith, einer der Autoren. Agilität im Verständnis ihrer geistigen Väter ist also eine grundlegende Haltung, wie und wofür man arbeiten will. Wir würden sagen: Man wollte sinnvolle Organisationen, in denen Werte Wert schaffen.

Nach diesem Verständnis kann Agilität nicht sein (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): eine Methode zur schnellen Leistungs-„Optimierung“ (sonst führen die Scrum Sprints direkt in den kollektiven Burn-out); ein Ersatz für Führung und Orientierung (sonst wird höchst agil nur sinnlos Energie verbrannt); ein weiterer temporärer Management-Trend (denn Agilität ist eine Qualität der Organisationskultur, die sich entwickeln und reifen muss).

Better done than perfect?

Am Rande bemerkt: Wie so häufig lohnt sich es, auch das Agile Manifest – das korrekt Manifest für Agile Softwareentwicklung heißt – im Kontext seiner Entstehung zu betrachten. Statt in „dokumentationsgetriebenen und schwerfälligen“ Software-Entwicklungsprozessen arbeiten, wollte man einfach nur programmieren und zügig liefern. „Better done than perfect“, könnte man sagen – regelmäßige Bugfixes und Updates eingeschlossen. Das mag etwa für die Textverarbeitungssoftware des PCs ein akzeptables Vorgehen sein. Wohingegen zum Beispiel Fluggäste sicherlich nichts gegen „better perfect than (fast) done“, verlässliche Prozesse und vollständige, verständliche Dokumentationen für die Piloten einzuwenden hätten.

Das vollständige Agile Manifest können Sie hier online nachlesen.

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